Nachruf LH
Nachruf Heimatbund
Dank dem Gründer der Freien Lauenburgischen Akademie in Wentorf
Dieser Artikel von Holger Gruhnke, dem früheren Bürgermeister der Gemeinde Wentorf bei Hamburg, erschien im April 2023 in der Schriftenreihe des Heimatbund und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg e.V, (siehe Links) der „Lauenburgischen Heimat“ mit der Nr. 215.
Nachruf
Am 3. Dezember 2022 ist Dr. Werner Budesheim im Alter von 81 Jahren verstorben. Er wird als Lehrer am Gymnasium Wentorf und Leiter der Ernestinenschule zu Lübeck als hoch engagierter Pädagoge in Erinnerung bleiben. Aber über die Rolle als Schulpädagoge hinaus steht sein Name für ein bedeutendes Projekt der Erwachsenenbildung im Kreis Herzogtum Lauenburg:
Er war Initiator der Gründung der Freien Lauenburgischen Akademie (FLA) mit Sitz in Wentorf bei Hamburg am 24. Juni 1991 und hat diese bis zu seinem Tode geleitet und gestaltet.
In der Festschrift zum 15-jährigen Jubiläum der Freien Lauenburgischen Akademie wird deren Aufgabenspektrum nach Dr. Hans-Joachim Bodenbach wie folgt beschrieben: „Geographische, ökonomische, ökologische, historische und rechtliche Fragestellungen sind die zentralen Gegenstände der wissenschaftlichen Arbeit der 'Freien Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur eV.'. Zu diesen Fragestellungen veranstaltet die Akademie Seminare und Kolloquien, Vorträge und Vortragsreihen, ein- und mehrtägige Exkursionen. Darüber hinaus fördert sie die Musik, die Literatur und Bildende Kunst durch durch geeignete Darstellungsmöglichkeiten. Wissenschaftliche und kulturelle Beiträge aus den Seminaren und Vortragsveranstaltungen, die von besonderem Interesse sind, werden in Schriften veröffentlicht. Schwerpunkte der Forschung sind die schleswig-holsteinischen Kreise Herzogtum Lauenburg und Stormarn, die Hansestädte Hamburg und Lübeck, das nördliche Niedersachsen und das westliche Mecklenburg. Die Freie Lauenburgische Akademie versteht sich als eine Einrichtung, die sich mit Forschungs- und Bildungsarbeit in selbstloser, fördernder Weise sowohl an Wissenschaftler als auch an wissenschaftlich nicht vorgebildete Bürgerinnen und Bürger wendet, die jedoch an solchen Themen besonders interessiert sind. Die FLA ist offen für alle, ihre Veranstaltungen sind öffentlich.“
Was für eine Aufgabe! Aber auch: Was für ein Anspruch! Diesen Anspruch hat Dr. Budesheim in seiner langen Wirkungszeit buchstäblich gelebt durch Präsentieren, Publizieren, Lehren und vor allen Dingen Organisieren. Denn er hatte sich ein Netzwerk von Referenten und Künstlern geschaffen, auf dem er aufbauen und die Jahresprogramme zusammenstellen konnte.
Grundlegend war dafür auch die Organisation der FLA in zuletzt acht Fachbereiche, die jeweils von einem Fachwissenschaftler geführt worden sind und aus diesem Beziehungsfundus stets neue Referenten und Themen vermitteln konnten.
Ein weiterer Baustein für die Vernetzung war die Kooperation mit anderen kulturellen Institutionen im Land Schleswig-Holstein und besonderem Schwerpunkt im Kreis Herzogtum Lauenburg. Exemplarisch genannt seien hier insbesondere der Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg (siehe Links) mit den Bezirksgruppen Geesthacht, Schwarzenbek, Ratzeburg und Lauenburg, der NABU Büchen, der Bürgerverein Wentorf e.V. und auf der Landesebene das Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein und die Europäische Akademie Schleswig-Holstein in Sankelmark.
Die Betonung der F r e i e n Lauenburgischen Akademie hat ihre Wurzeln auch im Wesen von Dr. Budesheim, für den Unabhängigkeit in jeglicher Form geradezu das Leitmotiv war. Dies äußerte sich in der Freiheit bei der Programmzusammenstellung und bei der Finanzierung der eigenen Publikationen mit eigenen Mitteln der Akademie aus den Beiträgen der rund 300 Mitglieder. Diese waren letztlich eine Quelle der Selbstbestimmung.
Gleichwohl hat er einen Mietzuschuss der Gemeinde Wentorf bei Hamburg für die Räumlichkeiten der FLA im Angerhof neben dem Rathaus angestrebt und dankbar angenommen, weil sich in diesen „eigenen“ Räumen auch Präsentationen und Veranstaltungsmöglichkeiten nach seinen Vorstellungen boten.
Diese Freiheiten waren kein Selbstzweck, sondern der jahrzehntelange Freund und Wegbegleiter, Referent und Leiter der einzigartigen, immer einem Leitthema folgenden Venedig-Reisen. Dr. Stefan Vöhringer hat es auf den Punkt gebracht: „Er war ein Ermöglicher“, der Ideen angenommen und „einfach gemacht hat“ - durchaus auch mit persönlichen Risiken.
Auch wenn das Angebot über rund 30 wissenschaftliche und kulturelle Vorträge im Jahr sicherlich den Schwerpunkt der Akademie-Arbeit bildete, so hat sein besonderes Augenmerk doch den Publikationen gegolten. Diese sind als Sammelbände zu verschiedenen Themen u.a. aus Vorträgen der Fachbereiche oder Seminaren erschienen.
In einem Rhythmus von ca. zwei Jahren sind insgesamt 16 Bände der „Beiräge für Wissenschaft und Kultur“ unter seiner Leitung herausgegeben worden. Er selbst hat Arbeiten zur Siedlungsentwicklung und -geschichte, zur Archäologie und zur Sprachwissenschaft beigetragen. Schon vor seinem Engagement für die Akademie ist er mit Publikationen - u.a. auch zur Erziehungswissenschaft - hervorgetreten. So hat er 1979 in der „Lauenburgischen Heimat“, N.F. 96, eine Arbeit mit „Überlegungen zum Limes Saxoniae im Gebiet des Kreises Herzogtum Lauenburg nach der Quelle Adams von Bremen“ veröffentlicht.
Von diesen Publikationen fällt ein Band in gewisser Weise „aus dem Rahmen“, der aber seine Liebe und Hingabe an die Sprache und deren Pflege und Förderung kennzeichnet. 2016 ist von ihm als Sonderband „Zur niederhessischen Sprache aus den Kirchspielen Remsfeld und Waßmuthshausen (phonetischer, grammatischer und lexikalischer Text sowie Textbeispiele)“ herausgegeben worden. Die Niederhessiche Sprache - sein Geburtsort war Remsfeld - bezeichnete er als „seine Muttersprache“, bevor über Studium (Germanistik und Geografie) und Beruf das Hochdeutsche zu seiner Profession wurde, in der er gelebt hat. Mit dieser Schrift hat er seiner Jugend, seiner Herkunft und nicht zuletzt seiner Mutter ein ganz persönliches Denkmal gesetzt. Diese inneren Bindungen haben offensichtlich bis zuletzt gewirkt.
Bei dieser Lebensleistung, die buchstäblich viele Menschen mitgenommen hat, liegt die Frage nahe, wie „einer“ das schafft. Er hatte das Privileg, seine Frau Ulrike in all seinen Aktivitäten an seiner Seite zu haben. Sie ist ebenfalls Germanistin und Geografin und somit auch sachverständige Beraterin. Vor allem auch mit der Geduld und Bereitschaft, dieses Engagement hilfreich zu unterstützen einschließlich gemeinsame Urlaube in der Regel als „Begleitung und Führung von Exkursionen“ zu erleben. Somit muss unser Dank an Dr. Budesheim ausdrücklich auch seine Frau Ulrike mit einschließen.
Wenn man ein solches Werk wie die Freie Lauenburgische Akademie von Anfang an begleiten durfte und jetzt vor einem plötzlichen Abschluss steht, wird einem die überragende Bedeutung der Rolle der einzelnen Persönlichkeit bewusst. Was ehrenamtliches Wirken zum Wohle und Nutzen der Gemeinschaft aufgebaut hat, verfällt in dem Moment, wo die diese Quelle versiegt und nicht ersetzt werden kann. Genau dieses „Freie" und der Anspruch auf Unabhängigkeit tragen dann zum Scheitern einer Idee bei, wenn andere Persönlichkeiten für eine Nachfolge nicht zur Verfügung stehen. Hingabe hat eben ihre ganz persönlichen Grenzen in anderen Verpflichtungen und der eigenen Kraft.
Am 12. Februar 2023 hat die Mitgliederversammlung die Auflösung der Freien Lauenburgischen Akademie zum 30. Juni 2023 beschlossen. Der amtierende stellvertretende Vorsitzende Dr. Martin Pries fasste die traurige Erkenntnis zusammen: „Sein Fußabdruck war einfach zu groß.“